Die Schulzeit hat es in sich, nicht nur für die Schüler. Auch für die Eltern. Und für die Lehrer geht es sowieso mitunter ganz schön zur Sache. Leistungsbewertungen, Lernstoffe, soziale Konflikte und Animosiäten sorgen für ein emotionales Spannungsfeld, das die Schule zu einem regelrecht gefährlichen Ort machen kann: dem BerSCHULa-Dreieck.
Im BerSCHULa-Dreickeck verunglücken keine Flugzeuge oder Schiffe, stattdessen verschwinden auf mysteriöse Weise gute Noten, Lernmotivationen oder in besonders dramatischen Fällen Fröhlichkeit, Optimismus und Lebenslust. 30 Prozent der Lehrer sollen an psychischen Problemen leiden und die Burnout-Gefahr in diesem Job gilt als besonders hoch. Kinder kommen frustriert aus der Schule oder brechen weinend über den Hausaufgaben zusammen. Und Eltern werden in ihrer Hilf- und Ratlosigkeit wütend und aggressiv. Dabei bietet jede der Sozial-Beziehungen im BerSCHULa-Dreieck seine ganz eigenen Gefahren:
Schüler-Schüler
Mobbing ist kein neues Thema. Auch früher gab’s in der Schule fiese Hänseleien. Schulranzen wurden die Treppe runter geschmissen oder in den Mülleimer entleert, Verleumdungen zierten Klotüren oder kleine Spottverse wurden gedichtet ("Hier kommt Britta... ohne Helm und ohne Gitter" - Ja, auch ich bin leidgeprüft). Das passiert heute auch noch alles. Neu ist dafür das … CYBER-MOBBING. Auf Schüler-Plattformen werden Clubs gegen bestimmte Schüler gegründet. Peinliche Videos werden bei YouTube hochgeladen. Über What’s-App-Gruppen wird gegen Einzelne gehetzt. Es gibt so viele Möglichkeiten, seinen Aversionen online Ausdruck zu verleihen. Was daran dramatischer ist als an den Aktionen früher? Das Mobbing bleibt nicht in der Schule! Es verfolgt die Schüler bis nach Hause, bis an andere Schulen und in andere Städte. Es gibt kein Entkommen mehr! Dazu wird es unpersönlicher, denn im Internet lässt sich wunderbar anonym lästern. Das hat dann was von einem Schützengraben, aus dem man unerkannt Handgranaten schleudern kann. Wie soll man da noch jemanden zur Rechenschaft ziehen oder sich wehren?! Gar nicht. Das ist ja das Problem. Und das ist eine wirklich beängstigende Entwicklung. In diesem Sinne plädiere ich definitiv für die Schule als smartphonefreie Zone (Bayern macht es vor). Warum es allen schwerer machen, als es sein muss? Ich finde, in die Schule gehört kein Smarthpone. Basta. (Siehe auch meinen Beitrag zum Smartphone-Wahn – dort weist Prof. Manfred Spitzer im Interview vollkommen zu Recht darauf hin, dass sich zur Smartphone-Frage immer nur Medienspezialisten äußern, die natürlich die Vorteile der Produkte betonen. Fragt man jedoch Spezialisten für Kinder, halten die nichts von Smartphone & Co. – erst recht nicht in der Schule!!!).
Schüler-Lehrer
Nicht erst seit Lehrer Hempel bei Max und Moritz, Pepe, dem Paukerschreck oder der Feuerzangenbowle ist klar, dass Streiche und Strafen zu dem Lehrer-Schüler-Verhältnis dazugehören. Das hatte aber (abgesehen von Max und Moritz) meist etwas Harmloses, beileibe nichts psychisch Verstörendes an sich. (Aufgewachsen mit den Theo-Lingen-Filmen wollte ich zum Beispiel immer einen ‚Karzer‘ für meine eigenen Kinder haben: „Und da schmorst du jetzt…“ – keine Sorge, dieser Traum der erzieherischen Maßregelung hat sich nie erfüllt …) Tatsächlich sind die Konflikte im Lehrer-Schüler-Verhältnis uralt und reichen bis in die Zeit der ersten Schulen zurück. In einem Keilschrifttext aus einer Zeit um 2000 v. Chr. heißt es zum Beispiel: „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“. Wunderbar – damals hatte das rebellische Verhalten von Jugendlichen noch apokalyptischen Wert. Heute sorgt es eher für resigniertes Schulterzucken oder einen mehrwöchigen Aufenthalt in der Burnout-Klinik. Ein bißchen haben die Lehrer aber auch wirklich die Arschkarte im BerSCHULa-Dreieck. Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens da und sind prinzipiell der Prototyp des Sündenbocks. Das Kind wird in der Pause geärgert? Ja, was war denn mit der Pausenaufsicht los?! Das Kind begreift den Unterrichtsstoff nicht? Der Lehrer muss inkompetent sein! Das Kind bekommt schlechte Noten und Einträge? Der Lehrer hat es einfach auf dem Kieker! Das kann natürlich auch tatsächlich mal der Fall sein, ebenso wie es wirklich auch schlechte und unaufmerksame Lehrer gibt. "Es hängt eben alles am Lehrer", dieser Spruch begegnet mir immer und immer wieder. Und wenn man an die eigene Schulzeit zurückdenkt: ist da nicht was Wahres dran?! (Siehe meinen Beitrag Guter Chef, böser Chef…).
Lehrer-Lehrer
Was die Kollegen angeht, ist das Lehrer-Sein ja eigentlich ein Job wie jeder andere. Sollte man meinen. Schwierig wird es aber wieder einmal durch die Schüler. Denn gibt es einmal den Ausnahmefall des äußerst beliebten, fast halbgottartig verehrten Lehrers, scheuen sich die Schüler nicht, das weniger beliebten Didakten unter die Nase zu reiben. Die Folge sind Neid, Missgunst, interne Sticheleien. Unschön.
Lehrer-Eltern
Im Bildungsbarometer 2010 wurde ermittelt, dass 90 Prozent der Eltern den Kontakt zum Lehrer nach Möglichkeit vermeiden (auf der Lehrerseite sind es auch noch stolze 83 Prozent). Eltern sind meist einfach froh, wenn Sie nichts von den Lehrern hören. Denn seien wir mal ehrlich: mit den Lehrern ist es genauso wie mit der Polizei. Die wirbt zwar mit dem vertrauenerweckenden Slogan "dein Freund und Helfer", in Wahrheit sorgt die Begegnung mit einem Polizisten aber doch eher für die angespannte Frage: "Habe ich irgendwas falsch gemacht?" Und wenn Lehrer anrufen, dann eben auch weil es Probleme gibt und sie sich über die mangelnden Leistungen des Kindes, dessen schlechtes Sozialverhalten oder sonst etwas beschweren möchten. Das ist für viele Eltern nicht leicht zu ertragen. Das Gleiche gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung. Eltern melden sich in der Regel nicht, um zu dem gelungenen Unterricht zu gratulieren oder für die Bildungsvermittlungsleistungen an ihrem Kind zu danken. Sie finden die Bewertung ungerecht oder halten den Lehrer für inkompetent oder gemein (s. Artikel Die Welt: Die Wut der Lehrer auf nervige Eltern). Und da der elterliche Beschützerinstinkt emotional geprägt ist und die Lehrer häufig überanstrengt, überfordert, genervt sind, können Lehrer-Eltern-Gespräche dann auch mal schnell aus dem Ruder laufen. Empfehlungen für eine konstruktive Zusammenarbeit gibt der Focus oder Kurt Singer, Professor für Pädagogische Psycholie in einem Vortrag an einem Würzburger Gymnasium. Falls die Probleme nicht alleine zu bewältigen sind, gibt es überall auch Schulberatungsstellen, die weiterhelfen. Viel Erfolg!
Eltern-Eltern
Ja, und dann sind da noch die Eltern der Klassenkameraden. Nun, in der Schule treffen Leute aufeinander, deren soziale Kreise sonst einfach keine Berührungspunkte haben. Das zeigt sich schon an den Brotdosen der Kinder: Weißbrottoast mit Nutella oder Schoko-Croissants vom Discounter in der einen, Vollkornbrot und Gemüse in der anderen. Die jeweiligen Eltern leben einfach in unterschiedlichen Welten, was ein großes Maß an Toleranz erfordert. Es gibt natürlich Klassen, in denen regelmäßige Elternstammtische die harmonische Einheit der Elternschaft demonstrieren. Häufiger ist aber wohl ein gegenseitiges Desinteresse. Erst wenn Konflikte zwischen den Kindern aufkommen, treten auch die Eltern miteinander in Kontakt. Dabei herrschen selbst bei einem höflichen Austausch unterschwellig Ablehnung und Verachtung vor. Schließlich sind Eltern instinktmäßig stets auf der Seite ihres Kindes. Schlimm sind dabei vor allem diejenigen, die man als ‚arrogante Trottel‘ bezeichnen kann: Weder besonders gebildet noch intelligent, benehmen sie sich, als hätten sie das Rad erfunden. Natürlich sind deren Kinder immer hochbegabt. Brrrr. Sind solche Leute dann auch noch Platzhirsche in einem der besagten Elternstammtische, ist die Hetze gegen einzelne Schüler, Lehrer oder Eltern nahezu unvermeidlich. Ich finde, das apokalyptische "Das Ende der Welt ist nahe" ist eher angesichts solcher Personen angesagt und habe da privat durchaus das ein oder andere Mal schon den Begriff "Hass" in den Mund genommen ...
Zum Glück kann die Schule aber auch ein Ort sein, an dem lebenslange Freundschaften geknüpft werden. Ein Ort, an dem junge Menschen mit Wissen und Weisheiten auf das Leben vorbereitet werden und an dem Respekt und Wertschätzung den Umgang prägen. (Ich hoffe, ihr hört jetzt auch wie ich hochemotionale Filmmusik in eurem Kopf) Meine Grundschullehrerin war zum Beispiel streng und fordernd, aber gleichzeitig so herzlich, dass wir freiwillig und hingebungsvoll Höchstleistungen für sie gebracht haben. Bei der Abschlussfahrt in der vierten Klasse sind wir zusammen knapp 18 Kilometer um den Kellersee bei Malente marschiert. Darauf bin ich noch heute stolz. Bleibt mir nur noch zu sagen: "Ich bin dafür!"
Wie sind deine Erfahrungen mit den sozialen Beziehungen im BerSCHULa-Dreieck? Und was ist / war deine Rolle dabei? Schreib gerne deine Meinung in die Kommentare!
Sollte ein Link mal nicht mehr funktionieren, freue ich mich über eine kurze Info per Mail.
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