Barbara Leciejewski: Versuchen wir das Glück

Barbara Leciejewski: Versuchen wir das Glück

Eine lebensnahe Liebes- und Lebensgeschichte, leise, nüchtern und kunstvoll erzählt.


 

Barbara Leciejewskis Roman fällt aus der Masse der Liebesromane spürbar heraus. Das verdankt er der geschliffenen Komposition der Erzählung, der sorgfältig gewählten Sprache sowie zahlreichen, unaufdringlichen Weisheiten, die sich durch die Geschichte ziehen.

 

Cover und Titel können zunächst etwas in die Irre leiten, weil sie doch eher auf eine seichte, unterhaltsame Liebesgeschichte hindeuten. Vor allem die Gestaltung des Covers bleibt ein Rätsel, weil sich keine inhaltlichen Bezüge zu der Geschichte erkennen lassen. Der Titel findet sich bei der Lektüre zwar wieder, wird durch das niedliche Cover jedoch in das falsche Licht gerückt. Doch das sind nur Äußerlichkeiten und die - soviel lernt man aus dem Buch - sind nur zweitrangig.

Die Geschichte beginnt damit, dass Helene ihren ungeliebten Mann am Bahnhof verabschiedet und kurz darauf zufällig Ludwig, ihrer großen Liebe aus Jugendjahren, begegnet. 25 Jahre lang haben sie sich nicht gesehen, jetzt setzen sich gemeinsam in ein Restaurant und reden. Die fünf Stunden dieser Begegnung werden mit den fünf gemeinsamen Jahren in der Vergangenheit verflochten. Stück für Stück erfährt man mehr über die beiden Menschen, ihre gemeinsame Geschichte, ihre Gegenwart und die Gründe für die damalige Trennung. "Versuchen wir das Glück" hat keine Angst vor Politik und ernsten Themen, sondern lässt die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse  der Vergangenheit, sowie die Stimmung der bewegten Jahre gekonnt einfließen. Dabei wirkt die Erzählzung so natürlich und selbstverständlich, als müsste sie auf genau diese und keine andere Weise erzählt werden.

Die Figuren fesseln von der ersten Seite an, beginnend mit der intensiven Darstellung von Helenes Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Mann. Dann - bei den ersten Ausflügen in die Vergangenheit - befremden sie, erstaunen und irritieren. Und schließlich wachsen sie mit jeder Seite mehr ans Herz. Sie sind alles andere als perfekt, eigenwillig, sehr individuell und echt. Die psychologisch fein und stimmig gezeichneten Profile machen die Geschichte ebenso wie das Zeitgeschehen greifbar und authentisch. Dadurch ist die Erzählung auf eine Weise berührend, die einen auch noch lange nach der letzten Seite beschäftigt.

Für leichte Verwirrung sorgt dabei von Zeit zu Zeit die Perspektive des Erzählers, die nach Belieben zwischen den Wahrnehmungen der Figuren hin- und herspringt und auf keine Innensicht festgelegt ist. Diese Irritation ist aber aber durchaus im positiven Sinne zu verstehen. Denn die Erzählung stellt auch Ansprüche an den Leser, verlässt eingefahrene Genrebahnen und ist dadurch umso reicher.

In der Geschichte geht es um die Entscheidungen im Leben, um die Päckchen, die jeder für sich zu tragen hat, um unterschiedliche Definitionen von Glück und um die große Liebe. Diese für jeden relevanten Themen werden mit einer sorgsam gewählten wie nüchternen Sprache behandelt. Wenn Nüchternheit erfrischend sein kann, dann ist sie es hier, zugespitzt in den wunderbar reduzierten und pointierten Kapitelüberschriften. Und trotzdem ist Barbara Leciejewskis Roman ein poetisches Werk, auf eine unangestrengte, natürliche Art und Weise. Es ist, als entstünde die 'Poesie' durch das Leben selbst. Statt kitschiger Schnörkel gibt es tiefe und schöne Gefühle in einer manchmal unschönen Wirklichkeit. Statt neunmalkluger Glückskekssprüche gibt es Erkenntnisse der Figuren, von Schicksalsschlägen und Erfahrungen geprägt und aus einem intelligenten Geist geboren, fast beiläufig weise und nie bevormundend.

Fazit: "Versuchen wir das Glück" ist eine poetische Geschichte, leise, nüchtern und raffiniert erzählt und damit ein echtes Lese-Highlight.

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