
Die Luft roch grün und feucht an diesem Sommertag, als wäre sie durch einen Filter aus Blätterwerk gegossen. Einzelne Tropfen hingen noch an den Blättern der Bäume, glänzten im Licht der Sonne wie Schmucksteine, die ein ominöser Jemand mit vollen Händen die Luft geworfen hatte. Einfach, weil er oder sie zu viel davon hatte. Blank geputzt, üppig dekoriert, begleitet vom Summen der Insekten und geschäftigen Flattern der Vögel – es war wie ein Fest in Vorbereitung. Ich schritt den Weg entlang, vorbei an einer Frau auf einer weißen Bank, die ganz still hielt in dieser Festvorfreude – sich von ihr berieseln ließ, mit ihrer Selbst- und Weltvergessenheit vollauf zufrieden.
Noch, dachte ich, und ging mit grimmiger Entschlossenheit weiter. Ich würde mich von dieser Stimmung nicht einfangen lassen, mir nicht vormachen lassen, dass alles gut war. Denn das war es nicht. Und das würde bald niemand mehr ignorieren können.
Immer weiter schritt ich durch den Wald. Längst hatte ich den vorgegebenen Weg verlassen, schlug mich durchs Unterholz und arbeitete mich durch eine mit jedem Schritt unwirklicher werdende Landschaft. Mein Gesicht glühte in der Anstrengung, meine Kleidung klebte feucht am Körper.
Schließlich hatte ich mein Ziel erreicht und begann den Abstieg. Tief ging es hinunter und noch tiefer und tiefer. Der Tag verging, ein neuer brach an und noch immer stieg ich hinab. Tag um Tag kletterte ich weiter in die Tiefe.
Bis ins Reich der Titanen.
Dort war er endlich in einer Felsenkammer, der Hebel, mit dem ich das Tor öffnen und die Zerstörung entfesseln konnte. Es war Zeit für einen Neuanfang. Zeit, das große Rad der Geschichte anzuhalten, die Menschen nicht die schlimmsten Fehler der Geschichte wiederholen und wiederholen zu lassen. Ich wollte alles anhalten, all das Schlechte ausmerzen, und im Neubeginn dem Guten eine reelle Chance geben, sich zu evolutionieren. Ich hoffte darauf, dass sich dieses Mal nicht das Recht des Stärkeren selektieren würde, das große Ego, das sich noch größer machen wollte, sondern die Kraft der Kooperation.
Ich trat auf den Hebel zu. Er war Äonen alt, von einer unbekannten Macht geschmiedet und angebracht, um unvorstellbar große Felsentore zu verschließen, die Welt in trügerischer Sicherheit zu wähnen.
Entschlossen legte ich meine Hände an den Hebel und wurde im selben Atemzug von Zweifeln überschwemmt – sah Verwüstung, Schmerz und Leid vor meinem inneren Auge, sah wie sich das altbekannte Rad der Geschichte unbekümmert weiterdrehte. Der ersehnte Neuanfang nur ein Kratzer an einer Speiche.
Meine Hände fielen vom Hebel ab, ohne ihn bewegt zu haben. Ich stand lange da mit hängenden Armen. Es war eine befreiende Vorstellung gewesen, ein Traum vom Phönix aus der Asche. Von einer radikalen OP zur Heilung der Welt, ich ein Gott in beliebiger Farbe. Ich hatte mich von einer Illusion hinreißen lassen, mich selbst verblendet. Weil ich erschöpft und müde war. Weil ich Angst hatte und die Hoffnung schwand.
Aber, verdammt. Das war falsch, falsch, falsch. Ich durfte nicht vernichten. Ich musste aufbaue, säen, pflanzen – Hände reichen, Herzen trösten, Köpfe befreien.
Sisyphos kam mir in den Sinn. Und dieses Bild begleitete mich, den ganzen langen Aufstieg hinauf.
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BESORGT 2: Die Klopapierfrage
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„Na, bei dem ...

VERSÖHNT 3: Friede, Freude, Eierkuchen
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VERLIEBT 4: Der Rattenfänger
... ein kleiner Märchenspaß ...
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