Kristina Moninger: Wenn gestern unser morgen wäre

Kristina Moninger: Wenn gestern unser morgen wäre

Rotzig, quirlig erzählte Liebesgeschichte, angefüllt mit Wahrheit, Humor und Gefühl

 

 

 


 

Es gibt sie, diese Wendepunkte im Leben, an denen sich durch unscheinbare, kleine Ereignisse eine ganze Anzahl von gravierenden Veränderungen in Bewegung setzt. Auf solche Ereignisse bezieht sich auch der bekannte Spruch von dem harmlosen Flügelschlag eines Schmetterlings, der einen ausgewachsenen Wirbelsturm auslösen kann. Entsprechend stimmig zieht sich das Schmetterlingsmotiv durch den ganzen Roman von Kristina Moninger. Denn mit einigen kleinen Flügelschlägen fängt alles an ...

 

In „Wenn gestern unser morgen wäre“ geht es eigentlich um nur wenige Tage in dem Leben von Sara Hendrichs, einer erfolgreichen Karrierefrau aus gutem Hause. Die Beförderung ist sicher. Dass diese auf Kosten von 300 Arbeitsplätzen geht, scheint verkraftbar. In der stabilen fünfjährigen Beziehung mit dem ebenso zuverlässigen wie langweiligen Anwalt Oliver scheint das Warten auf die entscheidende Willst-du-meine-Frau-werden-Frage absehbar zu sein. Kurz: Es ist alles so, wie es sein soll. Dass Sara damit nicht glücklich ist, lässt sich wahrscheinlich ebenso abtrainieren wie alle anderen unerwünschten Verhaltensweisen, die Sara abgelegt hat, um den Erwartungen anderer zu entsprechen. Doch dann kommt es zum berüchtigten Flügelschlag des Schmetterlings. Alkohol, grüne Augen und Grübchen in einem überaus markanten Männergesicht, eine Dachterrasse und der Sturm zieht auf. Ein verhängnisvoller Ratschlag an die Schwester, eine impulsive Antwort an den Freund, ein Video, das bei der Arbeit die Runde macht – der Sturm bricht los. Und dann passiert etwas vollkommen Verrücktes, das man der Geschichte am Anfang nicht zugetraut hätte und der Titel des Romans macht auf einmal auf eine ganz unerwartete Weise Sinn.

 

„Wenn gestern unser morgen wäre“ erzählt die Geschichte von Sara Hendrichs aus der Ich-Perspektive. Die Sprache der Erzählung folgt dieser Perspektive mit Haut und Haar, geht voll auf in dem quirligen Charakter der Hauptfigur, ohne Angst davor die Dinge beim Namen zu nennen oder schwierige, sensible Themen anzugehen. Kurze Gedankeneinschübe, Reflexionen und Wahrnehmungen sind so ineinander verschachtelt, als würde man tatsächlich in einen fremden Kopf abtauchen. „Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“ – dieser Satz, mit dem Borges und Ferrari ein Buch betitelt haben, trifft hier auf eine wunderbar spritzige und unterhaltsame Weise zu. Dass sich daneben auch noch intelligente Weisheiten, psychologische Erkenntnisse und tragische Schicksalsschläge durch die Geschichte ziehen, macht sie gehaltvoll und verleiht ihr Bestand über die letzte Seite hinaus.

 

Deklariert als Liebesroman geht es in Moningers Roman eigentlich viel mehr um die Fragen „Was ist Glück?“ und „Wer bin ich?“ Es geht um individuelle Definitionen und Sichtweisen und darum, ob Schmetterlinge wunderschöne poetische Geschöpfe oder einfach nur fette Raupen mit Flügeln sind. Alles Fragen für Philosophen. Doch warum sollte man sich mit trockenen philosophischen Abhandlungen quälen, wenn man mit einem Buch wie „Wenn gestern unser morgen wäre“ so kurzweilig und unterhaltsam ins Nachdenken kommt? Eine Liebesgeschichte für schmachtbereite Leser gibt es inklusive ebenso wie ehrliche und intelligente Auseinandersetzungen mit ethischen und moralischen Entscheidungen?

 

Fazit: „Wenn gestern unser morgen wäre“ geht nahe, amüsiert, unterhält, erleuchtet an einigen Stellen, macht nachdenklich an anderen und wärmt das Herz.

 

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