Nervös sah Liguster zum Horizont. Fast wünschte er sich, Lori würde doch nicht auftauchen und er könnte so tun, als hätte er nie etwas von dieser vertrollten Prophezeiung gehört. Doch ein anderer Teil in ihm brannte darauf, mehr zu erfahren. Was, wenn wirklich gerade er etwas Besonderes sein sollte? Wenn der Name Liguster Zwingelwicht ihn gar nicht ausmachte und er nicht der schreiende Findelwicht war, der von Lysopril verspottet und von den anderen Wichten ignoriert wurde? Wenn er der...
Liguster marschierte ungeduldig auf der Baumwurzel hin und her. Zwischendurch hielt er immer wieder inne und ließ seinen Blick aufmerksam über die Heidelandschaft schweifen. Nein, nichts. Er schüttelte den Kopf. Lori hatte doch gesagt, sie würde am nächsten Tag wiederkommen. Warum tat sie das dann nicht auch! Volle drei Sonnenläufe schlug er hier nun schon die Zeit tot und langweilte sich entsetzlich. So hatte er sich das mit der Ruhe nicht vorgestellt. Wo blieb nur Lori? Er wollte...
Liguster rieb sich verwirrt die Augen und wollte gerade fragen, was zum großen Mutterbaum hier los war, als die junge Wichtin mit ihrem Fuß ausholte und tatsächlich noch einmal zutrat. "Au", sagte Liguster empört. "Bist du von allen guten Nimfen verlassen? Du kennst mich doch gar nicht." "Genau", gab sie zornig zurück und begann energisch hin- und herzumarschieren. "Ich kenn dich nicht und du kennst mich nicht. Ich frage mich also, beim heiligen Heidehügel, was du in meinem Haus zu suchen...
Auf seinen heimlichen Ausflügen war Liguster bisher nie besonders weit gekommen. Daher hatte er zunächst eigentlich überhaupt keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Bis ihm die Karte in seiner mysteriösen neuen Tasche einfiel. Er sah sie sich lange und gründlich an. Und irgendwann, als ihm wiederholt aufgefallen war, dass er automatisch immer wieder auf die gleiche Stelle der Karte schaute, war ihm klar, wohin ihn seine Schritte lenken würden.
"Eigentlich hast du das ja nicht verdient, du ungehobelter Findelwicht", keifte Malizia Gundelgruß und reichte Liguster widerwillig einen roten Zwingelhut. "Aber wenigstens bin ich dich Grobian dann endlich los. Räum nach dem Frühstück deinen Korb aus und hinterlasse dein Bett in einem ordentlichen Zustand." Es sah aus, als würde es sie eine große Überwindung kosten, als sie schließlich noch den traditionellen Zwingelwichtgruß zur Feier des sechzehnten Lebensjahres herauspresste:...
Die Asselhöhle war eigentlich gar keine richtige Höhle, sondern ein riesiger toter Baumstamm, der über viele Jahre hinweg von Tausenden von Asseln grottenartig ausgehöhlt worden war. Die Asseln fraßen das Holz, verdauten es, fraßen es nochmal, verdauten es, fraßen es nochmal, verdauten es und so weiter. Dadurch entstand eine wunderbar feine, fruchtbare Erde. Die meisten Zwingelwichte fanden diese Art der Erdherstellung ziemlich abstoßend, obwohl ständig ein großes Blabla von wegen...
Sein Name war Liguster. Er hasste diesen Namen. Liguster! Was war das nur für ein dämlicher Name! In der Sprache der Zwingelwichte hieß das soviel wie Schreihals. Toll. Wer hieß schon gerne Schreihals!? Konnte er nicht einfach einen unaufälligen Allerweltsnamen haben wie Boblom oder Rübilas? Nein, natürlich nicht. Die schönen Namen waren ja den Wichten vorbehalten, die von ihren Eltern geliebt wurden. Etwas, das bei ihm schon alleine deswegen nicht möglich war, weil er gar keine Eltern...